Der persönliche Stundensatz
Arbeit nimmt niemals ein Ende. Im Gegensatz zu Angestellten muss man als Selbständiger aber selber entscheiden, welche Arbeit man zuerst verrichten sollte. Dabei ist die Entscheidung oft nicht leicht. Daher bedient man sich üblicherweise eines einfachen Hilfsmittels: dem persönlichen Stundensatz.
Wozu dient der persönliche Stundensatz?
Fangen wir mit einem kleinen Gedankenexperiment an: Du bist der Chef Deiner eigenen kleinen Firma und hast sogar einen Angestellten, Deinen treuen Assistenten Alfred. Das Geschäftsjahr ist gut verlaufen und Du stehst vor der Frage, wer den Jahresabschluss erstellen soll. Du könntest diese Aufgabe nun Alfred anvertrauen, sie selber durchführen, oder sie bei einem Steuerberater in Auftrag geben. Wenn Du wüsstest, dass alle drei gleich gut darin wären, welche Option wäre die Ökonomischste?
Diese Frage ist so natürlich noch nicht zu beantworten, daher erfinden wir noch ein paar Zahlen:
- Der Steuerberater verlangt pauschal € 1.000,00 für diese Aufgabe.
- Alfred arbeitet 40 Stunden pro Woche und kostet Dich € 25.000,00 im Jahr. Er würde voraussichtlich genau eine Woche (also 40 Stunden) dafür benötigen.
- Du hast letztes Jahr € 23.000,00 Gewinn erzielt und arbeitest etwas weniger als Alfred, nämlich 35 Stunden pro Woche. Bei solchen Aufgaben brauchst Du erfahrungsgemäß immer etwas länger als Alfred: Du könntest die Jahresbilanz wahrscheinlich in 45 Stunden fertig stellen.
Jetzt liegen alle Informationen, die Du für die Entscheidung benötigst, vor Dir. Könntest Du sagen, was die günstigste Option ist?
Niemand wird für die Beantwortung dieser Frage komplizierte Rechnungen anstellen. Aber wenn man seinen eigenen persönlichen Stundensatz – und den seines Angestellten – kennt, kann man diese Frage ohne Nachdenken beantworten. In diesem Artikel werden wir lernen, wie man diesen höchst praktischen Wert einmalig berechnet, um hunderte solcher kleinen Fragen beantworten zu können. Denn durch solche geschickten Entscheidungen kann man ziemlich viel Geld sparen.
Berechnung
Jeder Augenblick, den Du in Deine Firma investierst, ist kostbar. Die einzige Frage lautet: wie viel ist denn diese Zeit wert? Wir wollen berechnen, wie viel Geld wir für all die Zeit bekommen, die wir arbeiten. Die praktischste Maßeinheit dafür ist ein Stundensatz. Da das immer die Summe ist, die man pro Stunde verdient, müssen wir den Betrag, den wir verdienen, durch die Stunden dividieren, die wir dafür arbeiten. Dann können wir diesen Wert jeder Zeit mit einer Menge an Stunden multiplizieren, um den Wert dieser Zeit zu erhalten.
Jetzt müssen wir nur noch bestimmen, welchen Betrag wir dafür verwenden und wie viele Stunden wir eigentlich genau arbeiten.
Betrag
Zunächst wollen wir überlegen, welchen Geldbetrag wir als Basis für unsere Rechnung nehmen wollen. Es gibt da zum Beispiel den Umsatz, den Gewinn vor Steuern und den Gewinn nach Steuern. Alle diese Werte sind in manchen Situationen sinnvoll und bringen bei anderen Rechnungen Nachteile.
Da wir aber einen Wert haben wollen, den wir mit den Kosten von externen Dienstleistern vergleichen können, ist das sinnvollste wohl der Gewinn nach Steuern. Es ist zwar nicht hundertprozentig richtig, da ja die Kosten eines Steuerberaters zum Beispiel teilweise von der Steuer abgezogen werden können, aber um hundertprozentige Genauigkeit geht es uns im Moment nicht.
Wir wollen nämlich flexibilität: Egal um welche Ausgabe es geht, man kann mit großer Sicherheit behaupten "Wenn ich jemandem X Euro gebe, damit er dieser Arbeit verrichtet, spare ich mir Y Euro." Und in diesem Fall ist der X-Wert unabhängig davon welche und wie viel Steuern man zahlt.
Zeitraum
Urlaubstage | 15 |
---|---|
Krankenstandstage | 10 |
Feiertage | 11 |
36 |
Nachdem wir uns für den Gewinn nach allen Steuern entschieden haben, bleibt für den Zeitraum eigentlich nur eine Option: ein gesamtes Geschäftsjahr. Erst dann werden nämlich Steuern berechnet und der richtige Betrag ermittelt. Da wir aber den Gewinn pro Stunde berechnen wollen, müssen wir wissen, wie viele Stunden wir eigentlich in einem Jahr arbeiten.
Wenn Du jeden Tag fixe Arbeitszeiten hast, ist diese Berechnung natürlich leicht: Jemand der Montag bis Freitag von 08:00 bis 12:00 arbeitet, eine Stunde Mittagspause einlegt und dann wieder bis 18:00 arbeitet, arbeitet genau neun Stunden am Tag – vier am Vormittag, fünf weitere am Nachmittag – und damit genau 45 Stunden in der Woche. Doch oft ist das in der Selbständigkeit ein wenig anders: Arbeitszeit vermischt sich immer ein wenig mit der Freizeit.
Am Sinnvollsten ist es, die Arbeitszeit immer mit zu schreiben. Das Gefühl ist da leider oft sehr trügerisch. Auch wenn man das Gefühl hat, 80 Stunden in der Woche zu arbeiten, liegt die reale Zahl oft niedriger. Es reicht schon, seine Arbeitszeiten nur für einen Monat festzuhalten, um einen guten Mittelwert bilden zu können.
Wenn Du weißt, wie viele Stunden Du am Tag arbeitest, fehlt nur noch die Anzahl der Tage, die Du im Jahr arbeitest. Dazu nehmen wir als Basis die 52 Wochen, die in einem Jahr sind. Jede Woche hat fünf Arbeitstage, wenn man nicht gerade am Wochenende arbeitet. Daraus ergeben sich schon einmal 260 Arbeitstage im Jahr.
Doch das ist nicht alles: Es gibt mehrere Tage, an denen man üblicherweise nicht arbeitet, seien es Urlaubstage, Krankenstandstage oder Feiertage. Wenn man diese abzieht, kommt man auf 224 Arbeitstage im Jahr.
Wenn wir jetzt davon ausgehen, dass Du im Schnitt 45 Stunden pro Woche Arbeitest, ergibt sich daraus, dass Du 2016 Stunden im Jahr arbeitest.
Der Wert
Dein schlussendlicher persönlicher Stundensatz ist also Dein Jahresgewinn geteilt durch Deine Arbeitsstunden im Jahr. Wenn Dein Jahresgewinn € 20.000,00 beträgt und Du wie oben berechnet 2016 Stunden im Jahr arbeitest, sind das € 9,92.
Auflösung des Beispiels
Für die Lösung müssen wir nun die drei Optionen, die uns zur Verfügung stehen, mit einander vergleichen.
Der Wert des Steuerberaters ist ein Fixwert, den wir nicht weiter umrechnen müssen: € 1.000,00
Dein treuer Assistent Alfred kostet Dich € 25.000,00 im Jahr. Da ein durchschnittlicher Angestellter ca. 1700 Stunden im Jahr arbeitet, zahlst Du ihm € 14,71 für jede Arbeitsstunde. Da er geschätzte 40 Stunden an dieser Aufgabe arbeiten würde, würde es Dich € 588,24 kosten, wenn Alfred diese Aufgabe übernimmt.
Die Kosten Deiner fiktiven, eigenen Arbeitszeit errechnet sich wie oben vorgezeichnet: Wenn Du € 23.000,00 im Jahr verdienst, dafür 35 pro Woche arbeitest und dir 15 Tage im Jahr Urlaub nimmst, hast Du einen persönlichen Stundensatz von etwa € 14,94. Wenn Du für diese Aufgabe also 45 Stunden benötigst, kostet es Dich € 672,08, wenn Du Deine Jahresilanz selber ziehst.
Wenn man sich diese Zahlen so anschaut, ist das Ergebnis klar: am ökonomischsten ist es, wenn Du diese Aufgabe Alfred übergibst. Das heißt natürlich nicht, dass Du das genau so machen musst. Das heißt nur, dass Du am Ende des Jahres ca. € 80 mehr in der Tasche hättest, wenn Du Dich stattdessen um die anderen Tätigkeiten kümmerst, die Dir Deinen Umsatz bringen, aus dem sich (indirekt) Dein persönlicher Stundensatz errechnet. Ob es das Wert ist, ist eine ganz andere Frage.
Zusammenfassung
Wir haben hier ein Beispiel dafür gesehen, wie man seinen persönlichen Stundensatz errechnet und auch erfahren, wie man mit dessen Hilfe manche unentscheidbar wirkenden Fragen mit einer einfachen Multiplikation beantworten kann.
Man muss sich bei der Verwendung aber immer vor Augen halten, dass dieser Wert nur ein praktisches Werkzeug ist und keine mächtige Formel, die alle finanziellen Probleme lösen kann. Zum Beispiel ist es in vielen Fällen sicher viel sinnvoller, die Jahresbilanz dem Steuerberater zu überlassen. Er kennt sich mit den ganzen Feinheiten, die ein solches Dokument beherbergt, ganz sicher viel besser aus als jeder Laie – also jede andere Person, die vom Beruf noch nie Steuerberater gewesen ist.
Der hier erklärte Weg zur Berechnung kann auch nicht für Jeden einen passenden Wert bestimmen: Wenn das eigene Geschäft zum Beispiel starken Saisonalen Schwankungen unterliegt, sollte man dies immer mit berücksichtigen. Jemand, der ausschließlich mit Bademode handelt, könnte seinen Stundensatz von € 10,00 so aufteilen, dass er von März bis August mit € 15,00 rechnet und den Rest des Jahres von € 5,00 ausgeht. Damit ist es zum Beispiel klar, dass man den ganzen Papierkram am Besten in die dunkleren Jahreszeiten verschiebt – die warmen Tage sind viel zu kostbar dafür.
Wie man sieht, bleiben die Idee und die Motivation immer dieselbe:
Seine eigene Zeit kann man nur dann gut nutzen, wenn man weiß, was sie Wert ist.